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Hörerlebnis 34


Rundumstrahler: Venus von CD-Konzertmöbel

Aus Liebe zur Musik

Von Robert Schmitz-Nienhaus


Das Fatale und gleichzeitig auch Schöne bei unkonventionellen Lautsprechersystemen ist die Tatsache, dass man diesen Konstruktionen mit Leib und Seele verfallen kann. Mir ist es so ergangen, als ich zum ersten Mal die Jupiter aus der kleinen Manufaktur von Markus Duevel und Manfred Claas hörte. Seither ist dieser Wandler meine persönliche Referenz, an der sich alles andere messen lassen muß. Obwohl ich ihn sehr schätze, bin ich mir aber durchaus seines exclusiven Preises bewusst. Er bleibt daher nur für wenige Interessenten erschwinglich. Zwar eröffnet Bella Luna, als kleinerer Familiensproß, ebenfalls die faszinierende Welt dieser scheinbar federleicht schwebenden Klänge. Doch ist dieses Vergnügen ebenfalls nicht zum Nulltarif zu haben. Um einer größeren Klientel, weit unterhalb der fünfstelligen pekoniären Schmerzgrenze, entgegenzukommen, hat sich Markus Duevel viele Wochen zurückgezogen und tritt nun mit der Neuentwicklung Venus ins audiophile Rampenlicht.

Die knapp ein Meter hohe und im Durchmesser 28 cm große Box zeichnet sich durch ein, wie ich meine, einmaliges Design im Lautsprecherbau aus. Das Gehäuse ist sechseckig! Warum eigentlich nicht?, frage ich mich. Bietet ein solcher Aufbau neben hoher Stabilität doch auch klangliche Vorteile, weil sich zumindest im Gehäuseinnern keine stehenden Wellen bilden können.

Venus Lautsprecher Die Venus arbeitet nach dem 2-Wege-Prinzip. Das nach oben strahlende 22 cm Mittel-/ Tieftonchassis hat eine sehr steife Kevlarmembran eine mächtige Schwingspule und einen noch satteren Ferritmagneten. 34mm misst die Gewebekalotte des oben aufsitzenden Mittel-/Hochtöners. Beide Wandler garantieren im harmonischen Zusammenspiel eine bruchlose Übertragung zwischen 40 und 20.000 Hz. Von der eher zierlichen Gestalt sollte sich der Betrachter aber nicht täuschen lassen. Denn die Venus wiegt immerhin 27 kg. Mit einem anständigen Wirkungsgrad von 88 dB läuft sie ohne zu murren mit den meisten Röhrenkonstruktionen. Sind jedoch Trioden die favorisierten Partner, sollte die Leistung nach Möglichkeit über den oftmals am Markt angebotenen minimalistischen drei bis vier Watt liegen. Ansonsten ist die Venus genügsam und lässt sich problemlos mit unterschiedlichster Elektronik vermählen.

Der Abstand zu Rück- und Seitenwänden sollte nicht zu knapp bemessen sein. Ab 40cm sind gute Ergebnisse erzielbar, deutlich besser wird`s ab 50cm und mehr. Wer allerdings zu weit übers Ziel hinausschießt, verliert schnell den Spaß. Die Wiedergabe wird dann zu dünn, wirkt fast schon anämisch. Das ist auch kein Wunder, denn bei Rundumabstrahlern sind die Reflexionen über die begrenzenden Wände fester Bestandteil dieser Arbeitsweise.

Wer bei der Aufstellung mit Spikes oder anderen Untersetzern geduldig experimentiert, hat gute Chancen das klangliche Endergebnis zu liften. Bemerkenswerte Erfolge lassen sich bereits mit preiswerten Gummifüßchen aus dem Baumarkt erzielen, damit hatte ich in diesem Ausmaß gar nicht gerechnet. Sensibel reagiert die Venus auf unterschiedliche Kabel, was diesem Lautsprecher aber zum Vorteil gereicht, weil er in der Lage ist, selbst kleine Nuancen noch aufzuzeigen. Mir hat das Flatline FL 212 bei satt arbeitenden Röhrenverstärkern gut gefallen, ebenso Typen von XLO. Überragend sind die Silberkabel von Ortofon ( aber im Verhältnis zum Anschaffungspreis des Lautsprechers viel zu teuer) und vor allen Dingen das "Sonderangebot" von Phonosophie, mit rund 40 DM pro Stereometer eine "Allzweckwaffe".

Derart gerüstet, geht`s nun ans Musikhören. Erste Erfahrungen möchte ich mit einer recht schlecht aufgenommenen CD sammeln: Harmoniemesse von Joseph Haydn (Sony 499583-2). Über direkt abstrahlende Lautsprecher kaum zu ertragen, nimmt die Venus den Bläsern Härte und Kühle und hievt die Wiedergabe auf ein erträgliches Niveau, wenngleich die Klangfarben alter Originalinstrumente nur erahnbar bleiben. Mein Tipp: gute Leistung des Lautsprechers, aber kaufen Sie sich diese CD nie.

Das krasse Gegenteil hinsichtlich Interpretation und Klangqualität sind die Streichquartette Op. 18 von Ludwig van Beethoven (MDG 307-08532). Die vier Musiker aus Leipzig spielen äußerst homogen und souverän Frühwerke. Die Musik löst sich von den Boxen und umhüllt den Zuhörer, schmeichelt ihm genau so, wie wir es von den größeren Geschwisterkonstruktionen gewohnt sind. Die Räumlichkeit darf getrost mit dem Attribut "großzügig" betitelt werden. Auf der Bühne hat trotzdem jedes Mitglied des Quartetts eine feste, ihm zugeordnete Position.

Auch mit Tieftonqualitäten kann die Venus aufwarten. Bombastisch und sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist "The Doors Concerto - Riders in the storm" von und mit Doors- Keyboarder Ray Manzarek und Nigel Kennedy (Decca, UMG 467-350-2). Die symphonischen Rock- Arrangements erinnern mich an meine Jugend, in der ich meine Zuneigung zur Klassik zwar versprühte, mich aber an dieses Metier nicht richtig herantraute, weil ich in jenen Jahren mit einem Bein fest in der Rockmusik verhaftet war. Bei solchem Bombast-Rock darf es unten herum schieben, was für die Venus keine Schwierigkeit darstellt. Zumindest deckt kein tieffrequenter Teppich das restliche Klanggeschehen zu. Nigel Kennedys Geigenspiel klebt auch nicht am schwülstigen Fundament, sondern übernimmt einen sehr emotionalen, eigenständigen Part im Gesamtkontext, der von einer exponierten, völlig freistehend abgebildeten Position des Interpreten noch verstärkt wird.

Mir ist beim intensiven Hören aufgefallen, dass die Venus Spaßmacherqualitäten besitzt. Das zeitlose Pianospiel von Ruben Gonzales fließt beispielsweise in einem fort und berührt immer wieder aufs Neue das Herz des Zuhörers. Auf Chanchullo (World Circuit/Tis WLWCD060), dem zweiten Soloalbum des 81jährigen Kubaners, erinnert die Atmosphäre an alte, prunkvolle Ballsäle der Hauptstadt Havannas. Neben Mamboelementen finden sich in diesen Kompositionen auch viele afrikanische Stilelemente wieder. Das ist keine Musik, die man unter audiophilen Gesichtspunkten sezieren darf. Man muß sie ganzheitlich hören und ebenso genießen. Denn was der alte Mann mit seinen behenden Fingern der Königin der Instrumente entlockt, ist pures Lebensgefühl. Und genau diese Gute-Laune -Stimmung vermitteln die Venus. Damit erfüllen sie ihre wichtigste Aufgabe.

Charakter: Spritzig und lebendig, im Baß eher schlank als wuchtig, dafür trocken und recht tief. Federleichter, sehr räumlicher Klang mit typischem Rundumstrahler - Suchtpotential, weil kein Schalldruck den Ohren zur Last wird. Der Lautsprecher scheut keine kleinen Räume und steht ebenso in mittelgroßen seinen souveränen Mann.

Fazit: Wie unterscheidet sich nun eine Venus von einer Bella Luna oder der Jupiter. Gemein haben die Lautsprecher von CD-Konzertmöbel eine völlig losgelöste, räumliche sowie leichte Art der Abbildung. Man kann ihnen stundenlang zuhören, ohne das Ermüdungserscheinungen auftreten. Zwar sind alle drei Boxenvarianten für einen "härteren" Einsatz zu gebrauchen, gleichwohl machen Techno und Konsorten bei vielen direktabstrahlenden Wandlern mehr Spaß. Ihnen liegt mehr das Anspruchsvolle bis hin zum Feingeistigen. Die Venus spielt im Vergleich zu den größeren Geschwistern nicht so erwachsen, nicht so natürlich. Sie ist auf ihre Art quirliger, vielleicht auch highfideler abgestimmt. Das wundert mich aber nicht, denn das nächst größere Modell kostet gleich ein paar tausend Mark mehr und muß sich ähnliche Abstriche im Vergleich mit der Jupiter gefallen lassen. Viel wichtiger scheint zu sein, dass mit der Venus der Einstieg in die faszinierende Welt der Rundumstrahler erschwinglich geworden ist. Hinzu kommt, dass sie keine Allüren in der Zusammenarbeit mit der Elektronik zeigt. Im Gegenteil: mit qualitativ besseren Weggefährten legt auch sie in der Leistung zu. Bei der intensiven Beschäftigung mit den Wandlern dieses Herstellers ist mir eines klar geworden: Egal, ob die Entscheidung für die Jupiter, die Bella Luna oder die Venus fällt, wenn sie fällt, dann aus Liebe zur Musik.



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